Datenübertragung mit klassischer Leiterplattenanschlusstechnik: Anwendertipps und Best Practices
Auswahl der richtigen Klemme: Mechanik trifft HF-Verhalten
Die Entscheidung für eine bestimmte Leiterplattenklemme im Kontext der Datenübertragung ist mehr als eine Frage des Formfaktors. Sie ist eine elektromechanische Systementscheidung, bei der mechanische Anforderungen und HF-Verhalten gleichrangig betrachtet werden müssen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Abstimmung auf das verwendete Protokoll, die Frequenzanforderungen und die physikalischen Randbedingungen.
Wichtige Auswahlkriterien:
Rastermaß (Pitch): Je kleiner der Polabstand, desto kompakter das System – aber desto höher die Gefahr unerwünschter kapazitiver Kopplung. Je kleiner der Polabstand, desto kompakter das System – gleichzeitig steigt jedoch das Risiko unerwünschter kapazitiver Kopplung. Pauschale Aussagen wie „kleiner ist besser“ oder feste Werte als allgemeingültig zu benennen, sind jedoch nicht zielführend. Die elektrische Performance ist stark vom spezifischen Aufbau der Klemme abhängig, beispielsweise von der Geometrie und Anordnung der Metallteile sowie dem resultierenden Impedanzverlauf.
Grundsätzlich gilt: Bei mehrpoligen, datenfähigen Klemmen (z. B. CAT 5) führt ein kleinerer Pitch dazu, dass benachbarte Datenpaare näher beieinanderliegen. Dies begünstigt unerwünschte Nebensprechen-Effekte (NEXT). Ein größerer Pitch kann hierbei helfen, diese Effekte zu reduzieren – vorausgesetzt, das Impedanzverhalten bleibt weiterhin im gewünschten Bereich und erfüllt Anforderungen wie die der Reflexionsdämpfung (RL)..
Geometrische Symmetrie: Klemmen mit gleichmäßiger, möglichst axialer Leitungsführung sorgen für ein homogenes Impedanzprofil. Asymmetrische Innenaufbauten (z. B. abgewinkelte Stromschienen oder ungleich lange Kontaktfedern) können dagegen zu lokalen Impedanzstörungen führen.
Kontaktmaterial und -technik: Gute elektrische Leitfähigkeit (z. B. Kupferlegierungen) und präzise Kontaktfedern minimieren Übergangswiderstände. Gleichzeitig muss das Design HF-tauglich sein – mechanisch robust, aber mit möglichst geringer Streuinduktivität.
Schirmanschlussmöglichkeit: Moderne Datenklemmen bieten integrierte Schirmauflageflächen, separate Polführungen für den Schirm oder kompatibles Zubehör wie Schirmanschlussklemmen und -schellen. Diese sollten so gewählt werden, dass die Masseverbindung mit möglichst großflächigem Kontakt und kurzer Strecke zum Massepotenzial erfolgt.
Zertifizierte Datenfähigkeit: Einige Hersteller, wie z. B. Phoenix Contact, bieten spezifisch für Datenapplikationen getestete und freigegebene Klemmen an. Diese sind auf Kategorien wie CAT 5, CAT 6, CAT 6A oder SPE CAT A sowie SPE CAT B normgerecht geprüft – inklusive Return-Loss-, Insertion-Loss- und NEXT-Werten.
Tipp: Achten Sie auf vom Hersteller freigegebene Modelle für die jeweilige Kategorie (z. B. CAT 5 oder CAT B) – damit vermeiden Sie aufwendige Eigenvalidierung und reduzieren das Risiko von Fehlfunktionen.
Validierung und Messpraxis
Gerade bei Neuentwicklungen oder Retrofit-Projekten, in denen bestehende Klemmen weiterverwendet werden sollen, ist eine Validierung der Datenfähigkeit unverzichtbar. Denn schon kleinste Änderungen in der Leiterführung, dem Leiterplattenlayout oder der Art der Schirmanbindung können das elektrische Verhalten gravierend beeinflussen.
Typische Validierungsverfahren:
Simulation (Pre-Layout): Mithilfe elektromagnetischer Feldsimulationen (3D-FEM, HFSPICE) lassen sich kritische Bereiche bereits im Entwurfsstadium identifizieren. Besonders nützlich: Impedanzverläufe, elektrische Feldverteilung, Kopplungseffekte.
Laborprüfung (Post-Layout): Die praktische Messung ist unersetzlich. Mit Vector Network Analyzern (VNA) werden Parameter wie:
- Return Loss (RL)
- Insertion Loss (IL)
- NEXT / FEXT
- Impedanzverlauf (via TDR)
aufgezeichnet und mit den Normvorgaben verglichen (z. B. gemäß ISO/IEC 11801, IEC 63171 oder DIN EN 50173).
Musterfreigabe mit Dokumentation: Für Serienfreigaben empfiehlt sich die Durchführung eines vollständigen Datenanschlussprüfprotokolls, das dem Kunden oder der eigenen Qualitätsabteilung als Nachweis dient.
Praxisfall: Ein Gerätehersteller will eine bewährte Leiterplattenklemme für Ethernet nutzen, hat aber keine Herstellerfreigabe. Im Labor wird die Klemme auf CAT 5 bei 100 MHz getestet. Ergebnis: Die Messkurve liegt deutlich unterhalb der Grenzlinie – Klemme ist geeignet. Eine einfache Maßnahme mit großer Wirkung.
4.3 Installation und Verarbeitung: Qualität entsteht beim Einbau
Ein großer Teil der Datenübertragungsqualität entscheidet sich nicht im Labor, sondern beim Techniker im Feld. Montagequalität, Sorgfalt beim Abmanteln und der Umgang mit dem Schirm machen den Unterschied zwischen stabiler Verbindung und sporadischem Verbindungsabbruch.
Wichtige Praxistipps zur Montage:
Abmantellänge exakt definieren und einhalten: Die empfohlene Länge liegt typischerweise bei 6–8 mm, je nach Klemme. Eine größere Länge führt zu verringerter Schirmwirkung, aufgeweiteter Verdrillung und einem Impedanzsprung. Der Einfluss ist direkt messbar auf den Return Loss und Insertion Loss.
Verdrillung möglichst erhalten: Die Twisted-Pair-Struktur soll so weit wie möglich bestehen bleiben – idealerweise bis kurz vor den Kontaktpunkt. Jeder aufgewickelte Millimeter bedeutet erhöhte Anfälligkeit für Störungen und Kopplungseffekte.
Schirmauflage korrekt umsetzen:
- Pig-Tail genügt in der Regel, wenn er kurz und niederohmig angebunden wird.
- Besser: Verwendung von Schirmanschlusszubehör mit 360°-Kontakt.
- Achten Sie auf den geringstmöglichen Weg zur Masse – idealerweise < 10 mm.
Polstruktur durchdacht nutzen:
- Leerpins = Abstandshalter gegen NEXT.
- Pol für Schirm = doppelte Funktionalität (mechanischer Halt + EMV-Schutz).
- Nicht benötigte Pins nicht einfach "frei lassen", sondern bewusst einplanen.
Dokumentation und Farbcodierung nutzen: Fehlzuordnungen bei der Aderzuordnung sind häufige Fehlerquellen. Farbmarkierungen, Aderkennzeichnung und technische Zeichnungen vereinfachen die Installation – insbesondere bei Wartung und Inbetriebnahme.
Zusätzlicher Tipp: Schulen Sie Montageteams gezielt auf die Besonderheiten der Datenübertragung mit Klemmen. Die besten Produkte bringen nichts, wenn sie unsachgemäß verarbeitet werden.

Klemmen mit Farbkodierungen helfen bei der Installation der Datenleitungen besonders im Feld.
Fazit: Datenübertragung mit Leiterplattenklemmen – zwischen Tradition und Zukunft
Die Ergebnisse und Analysen aus den Messungen und versuchen: Klassische Leiterplattenklemmen sind sehr wohl in der Lage, moderne Datenübertragungsaufgaben zu erfüllen – unter einer Bedingung: man muss sie korrekt einsetzen. Während die standardisierte Steckverbindersystematik weiterhin ihre Berechtigung in vielen Anwendungen behält, bietet die Klemmentechnik vor allem dort Vorteile, wo mechanische Robustheit, Bauraumoptimierung und wirtschaftliche Effizienz gefragt sind – also direkt im Feld, bei Sensorik, im Schaltschrank oder in kompakten Gehäusen.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
- Die Schirmauflage hat entscheidenden Einfluss auf die Signalintegrität. Bereits einfache Pig-Tail-Auflagen reduzieren den Return Loss signifikant – ein Muss bei jeder datenführenden Verbindung.
- Die Abmantellänge darf nicht dem Zufall überlassen werden. Millimetergenaues Arbeiten entscheidet über „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ in der normativen Prüfung.
- Polabstände und Leerpins beeinflussen das Nebensprechen. Bereits ein zusätzlicher Leerpol zwischen Datenpaaren kann die NEXT-Werte deutlich verbessern.
- Nicht jede Klemme ist automatisch datenfähig. Nur geprüfte oder gezielt validierte Modelle sollten für Ethernet- oder SPE-Verbindungen eingesetzt werden.
- Installation und Verarbeitung sind erfolgskritisch. Die beste Klemme verliert ihre Wirkung, wenn sie unsachgemäß montiert wird. Schulung und Sorgfalt sind Pflicht.
Für Gerätehersteller, Entwickler und Systemintegratoren ergibt sich damit ein klares Bild: Wer auf Leiterplattenklemmen zur Datenübertragung setzt, kann sowohl wirtschaftlich als auch technisch profitieren – wenn die Auswahl, Auslegung und Verarbeitung stimmen. Mit zunehmender Miniaturisierung, wachsender Gerätekonnektivität und steigenden Anforderungen an EMV wird die Bedeutung solcher integrativen Verbindungslösungen weiter zunehmen. Die klassische Klemme ist längst keine rein mechanische Komponente mehr – sie wird zur Datenschnittstelle im digitalen Informationsfluss.